Archiv für den 12. April 2010

11. und 12. Tag (10./11.04.2010) Tombstone bis Sonoita

Montag, 12. April 2010

11. Tag (Samstag, 10.04.2010) St. Johns – Tombstone

Wieder wird bei Grandma gefrühstückt, heute die berühmten Huevos Rancheros. Grandma macht das sehr gut. Dann starten wir in Richtung Tombstone, das nun schon zum dritten Mal auf dem Programm steht. Die Wyatt-Earp-Stadt und ihre Geschichte um den Gunfight am OK-Corall haben einen tiefen Eindruck bei uns hinterlassen. Die Fahrt führt uns durch bizarre Wüstenlandschaften mit grandiosen Felsformationen und weite grüne Täler, in denen schon Wein angebaut wird. Wir kommen nur durch wenige Orte, einer davon ist Lordsbourg. Man kann die Stadt schon am oberen Rand eines Bergkammes, den wir überquerten, erkennen. Bis zur Stadtgrenze sind es aber noch mehr als 30 Meilen (etwa 48 km). Lordsbourg selber bietet weiter keine Sehenswürdigkeit. Die Stadt existiert nur, weil hier eine große Güterbahnstation der Santa Fe Linie eingerichtet ist.

Nach etwa 180 Meilen erreichen wir Tombstone (= Grabstein). Tombstone existierte eigentlich nur wenige Jahre. Die Stadt wurde von einem Deutschen, einem gewissen Schiefflein, gegründet und war eine Silbermienenstadt. Dieser Schiefflein kam her und wollte Silber schürfen. Die Behörden in Tucson meinten, er würde hier bestenfalls seinen Grabstein finden. Seinen ersten Claim nannte Schiefflein daraufhin „Tombstone“. Er wurde fündig und einer der reichsten Männer der Gegend. Die Stadt, die sich nach den Schieffleinfunden schnell gründete, nannte man daraufhin „Tombstone“. Silber förderte man jedoch nur von 1860 bis 1880, dann waren die Mienen versiegt und Tombstone wurde gleichsam „geschlossen“, existierte aber als Ort weiter. Berühmt geworden ist Tombstone  durch den Gunfight am OK-Corall, dem Kampf der Leute um Wyatt Earp und seinen Brüdern gegen die Clanton-Bande um die Brüder Ike und Bill und die MacLaurys. Seit 1978 gibt es Tombstone wieder als Wild-West-Stadt und großer Touristenattraktion. Wyatt Earp ist überall, der Gunfight findet täglich auf den Straßen mehrfach statt und die komplette alte Innenstadt von Tombstone sieht aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Es gibt den Saloon von Big Nose Kate und es gibt haufenweise nostalgischen Wild-West-Kram zu kaufen. Faszinierend, einfach faszinierend. Jeder der einmal hier war, fährst sicher wieder hin.

Als wir gegen 12-00 h erscheinen ist die Stadt rappelvoller Leute und wir haben Mühe, ein Motelzimmer zu bekommen. Unser Standardmotel „Larian’s“, hier haben wir schon zwei Mal übernachtet, ist ausgebucht. Im „San Jose“ bekommen wir schließlich eine Suite, das letzte freie Zimmer überhaupt. Die Suite ist eigentlich das gleiche wie sonst auch, nur dass die Betten in zwei getrennten Zimmern stehen und wir statt im Schnitt $ 50,00 heute Nacht für $ 80,00 schlafen werden. Wir wohnen in der Suite „Doc Holliday“. Doc Holliday ist ein Freund von Wyatt Earp gewesen und hat beim Gunfight auf seiner Seite gekämpft. Außerdem war er der Boyfriend von Big Nose Kate, deren berühmter Saloon noch heute, übrigens mit der Originaltheke, ein beliebtes Lokal am Ort ist. Sehr interessant sind hier die nur leicht geschürzten Bedienungen, die noch freundlicher werden, wenn man ihnen einen „Buck“, eine Ein-Dollar-Note, in den offenherzigen Ausschnitt steckt. Was passiert, wenn man höherwertigere Noten einsetzt, haben wir nicht ausprobiert.

Heute ist hier, wie schon gesagt, der Teufel los, denn das erste Wochenende im April ist traditionell ein Tombstonefeiertag. Es sind Buden aufgebaut, die allerhand Indianerschnickschnack verkaufen, überall wird herumgeballert und der Gunfight nachgestellt und aus der ganzen Gegend sind hunderte von Leuten mit ihren Familien angereist. Viele von ihnen werden am Abend wieder verschwunden sein, aber dennoch bleiben genügend hier und ganz Tombstone macht das Geschäft des Jahres. Wir stürzen uns mitten hinein ins Vergnügen, schauen uns die unterschiedlichsten Vorführungen an, nehmen eine wagenradgroße Pizza im „Crystal-Palace-Saloon“ zu uns und trinken schließlich ein „Killian’s“ (!) in Kates Saloon. Dann haben wir fürs Erste genug und ziehen uns in unsere „Suite“ zurück.

Nach einer abendlichen Siesta ziehen wir erneut ins Getümmel und saugen die Atmosphäre von Tombstone in uns auf. Es ist merklich leerer geworden, aber in den Hauptaktrationen der Stadt, Big Nose Kates Saloon, dem Crystal-Palace-Saloon und dem „Longhorn Steakhouse“ (hier haben wir unseren obligatorischen Abendessen-Hamburger verputzt) ist immer noch einiges los. Schließlich haben wir dann doch genug und gehen zu Bett.

12. Tag (Sonntag, 11.04.2010) Tombstone – Kartchner Carverns – Sonoita

In Tombstone ist nicht mehr so viel los, wie am gestrigen Samstag – kein Wunder, es ist ja erst 9.00 h – aber die Händler haben trotzdem bereits ihre Buden aufgemacht, als wir zum Frühstück in das nahe „Longhorn Steakhouse“ marschieren. Eine Peggy Sue bedient uns freundlich, ist aber nicht besonders helle, als sie uns das Frühstück abkassiert. Mein Frühstück, bestehend aus drei Eiern „sunny-side-up“, zwei gebratenen Speckstreifen von der größeren Sorte, vier „white toast“ (wenn jemand Vollkorntoast haben will, könnte ja mal sein, dann muss er oder sie „wheat“ statt „white“ ordern), einem O-Saft und Kaffee satt, kostet $ 10,00. Als ich für einen $ 50,00 Schein nur $ 30,00 zurück bekomme, muss ich doch eine ganze Weile unter Aufbringung meiner mir insgesamt zur Verfügung stehenden Englischkenntnisse herum ackern, bis ich auch die restlichen $ 10,00 zurück bekomme. Peggy Sue guckt aber weiter freundlich und ist zufrieden, als ich ihr $ 1,50 Trinkgeld gebe.

Als wir wieder auf der Mainstreet stehen, packen einig Händler tatsächlich schon zusammen. Wir fragen, was los sei und sie antworten uns, dass das Hauptgeschäft bei solchen Festen immer am Freitag und Samstag gemacht wird. Da sie aber hier wohnen würden (im Motel), blieben sie halt bis Sonntagmorgen und ziehen dann weiter. Das nächste Wild-West-Festival finde übrigens am nächsten Wochenende in  Old Tucson statt, wäre aber längst nicht so groß wie das in Tombstone. Nun wissen wir Bescheid. Auch wir packen unsere Sachen und ziehen weiter in Richtung Sonoita, wo wir ja morgen und übermorgen durch die Prärie reiten wollen.

Auf dem Weg dorthin machen wir in den „Kartchner Caverns“ halt. Sie wurden erst 1978 von zwei Hobbyhöhlenforschern entdeckt und befinden sich auf dem umfangreichen Gelände der Kartchner Familie. Da sie von einzigartiger Beschaffenheit sind beschloss der Staat Arizona, hier einen Nationalpark einzurichten. Die Kartchners konnten sich aussuchen, ob sie für das Stück Land ein wenig Geld haben wollten oder ob ihnen die Unsterblichkeit ihres Namens mehr Wert sei. Sie entschieden sich offensichtlich für die zweite Variant. Recht so! Wir konnten die Höhlen leider nicht besichtigen, weil wir in unseren Motorradklamotten schlichtweg erschwitzt wären. Die Höhlen sind sehr heiß im Inneren, so um die 45 Grad Celsius und die Führung durch die Cavernen dauert immerhin eine Stunde und zwanzig Minuten. Aber wir haben einen Film gesehen, der die wohl  größten Sehenswürdigkeiten perfekt ins Bild gesetzt hat. Die Höhle zeichnet sich besonders dadurch aus, dass verschiedene Mineralien anders als sonst in Tropfsteinhöhlen miteinander verschmolzen sind, was mit der großen Hitze bei der Entstehung der Höhle vor zig Millionen Jahren zusammenhängt.

In der „Recreation Area“ (Erholungszone) um das Besucherzentrum der Höhle herum machen wir eine kleine Pause und fahren dann weiter nach Sonoita. Sonoita finden wir schnell, aber wir haben keine Ahnung, wo sich unser Pferdeguide Ron Izo und seine Farm und wo sich unsere Übernchtungshacienda befinden.  Sonoita besteht zunächst aus einer Tankstelle und ein paar Häusern, es dehnt sich jedoch über eine weite Ebene mit sehr weit auseinander stehenden Häusern aus. Irgendwo muss sich Ron und irgendwo muss sich die Hacienda befinden. Wir fragen nach und keiner weiß Bescheid. Der erste freundliche Tankstellenbediener sagt, er wäre aus dem Nachbarort und kenne keinen Ron Izo. Ein herumstehender Tramp hat überhaupt keine Idee. Schließlich weiß eine etwas korpulentere Dame, wo sich Ron Izo aufhält und wir finden ihn tatsächlich, jedenfalls seinen Pferdehof. Zwei Hunde kommen uns entgegen und tun recht freundlich. Da wir noch unsere Motorradbekleidung anhaben, halten sich unsere Ängste vor Bissen oder dergleichen in Grenzen. Als einer der Hunde jedoch deutliche Anzeichen von Markierungsarbeiten an unseren Motorrädern erkennen lässt, sind wir mutiger und verscheuchen das Tier. Aber Ron taucht nicht auf. Nun wissen wir wenigstens, wo wir Ron morgen finden können. Aber die Hacienda ist immer noch nicht in Sicht. Wir fahren zurück zur Tankstelle und fragen erneut. Schließlich dürfen wir das Tankstellentelefon benutzen und erreichen den Haciendabetreiber Tom Rogos. Er beschreibt uns den Weg und wir finden schließlich auch unsere Übernachtungsstation „La Hacienda de Sonoita“ von Ron & Cheryl Rogos. Ein wunderbares Anwesen, liebevoll eingerichtet, mit kleinsten Details ausgestattet und mit hervorragenden Zimmern. Einfach toll. Die Hacienda liegt mitten in der Prärie um Sonoita und ist kaum zu finden. Wir aber haben sie in unser Navi-System eingespeichert und können sie so jederzeit wiederfinden.

Als wir uns soweit eingerichtet haben, fahren wir mit den Motorrädern wieder zur örtlichen Tankstelle. Gleich daneben gibt es ein Steakhouse, das erstens am Sonntag geöffnet hat, das zweitens sehr gut sein soll und in dem drittens heute Abend Lifemusik gespielt wird. Alles ist richtig, von der typischen Atmosphäre angefangen bis hin zu den hervorragenden Steaks. Wir haben das „Sonoita Strip“ geordert und lagen damit nicht falsch: einfach hervorragend, wesentlich besser als einige „best steak in town“-Sachen, die wir schon gegessen haben. Auch die Lifemusik, präsentiert von drei älteren Herren, zwei mit Gitarre und einer mit Westerngeige, ist hervorragend und reißt die essenden Gäste immer wieder zu wilden Beifallstürmen hin. Auch wir sind so beeindruckt, dass wir zwei CDs der Jungs kaufen. Bestens gesättigt und bester Stimmung fahren wir zu unserer Hacienda zurück. Es ist stockdunkel und vom Himmel glitzern die Sterne, nicht gestört durch irgendwelche Straßenlaternen. Die Venus ist deutlich zu sehen und auch der Plejadengürtel (vom mittleren der drei stammen angeblich die Scientologen ab) erstrahlt von seiner schönsten Seite. Schade, dass wir nur diese beiden Himmelskörper klar ausmachen können, da wir die anderen nicht kennen. Aber leuchten tun diese auch.

Wieder zu Hause haben wir immer noch keine Nachricht von unserem Pferdeführer Ron Izo. Wir wissen nicht, ob in seinem Angebotspreis die Haciendaübernachtungen inkludiert sind oder nicht, noch wissen wir, wann wir morgen mit dem Reiten anfangen können, bzw. bei ihm auftauchen müssen. Sehr verdächtig. Bezahlt haben wir gottseidank noch nichts. Es gibt hier in der Umgebung sehr viele Reitfarmen, aber ebenso viele stehen zum Verkauf. Überall stehen Schilder mit der Aufschrift „for sale“ oder „sale for less“ herum. Das Geschäft mit dem Reiten scheint nicht so gut zu laufen. Aber wir wollen nicht alles schlecht machen, sondern warten einfach mal ab, was passiert. Wenn’s nicht klapp, dann machen wir einfach etwas anderes. Schließlich kennen wir uns in der Gegend ja schon ziemlich gut aus.