14. Tag (Dienstag, 13.04.2010) Reiten in Sonoita

14. Tag (Dienstag, 13.04.2010) Reiten in Sonoita

Heute nun soll es soweit sein. Bereits vor dem Weckergeklingel sind wir wach, komisch oder? Berthold war gestern nach seinem 6-Stunden-Ritt doch ziemlich kaputt, jedenfalls hatte er Muskelschmerzen an Ecken, an denen er gar keine Muskeln vermutet hatte. Nun denn, wir frühstücken das von Cheryl Rogos zubereitete „homemade“-Frühstück (heute gibt es aufgeschnittene, in Butter satt eingelegte und dann auf der Pfanne gebratene Croissants mit Ahornsirup, Apfelsaft, wieder Früchte mit Jogurt und superdünnen Kaffee) und machen uns zur Pferdefarm auf.

Dort befinden sich mindestens 15 Leute, die ebenso viele Pferde in einen riesigen Truck verladen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der für mich heute vorgesehene „Barnabas“ auch dabei ist und bin irgendwie erleichtert. Die Pferdesache geht mir offensichtlich mehr aufs Gemüt als ich dachte. Ron Izo Frau March stürmt auf uns zu und begrüßt uns begeistert. Sie bietet Kaffee an, den wir ohne Angst vor einem Koffein-Schock trinken können, und macht nicht den Eindruck, dass unsere Reiterei heute ausfallen könnte. Im Gegenteil, sie bittet uns zur Kasse, $ 102,12 für jeden von uns. Als wir wieder draußen sind, sind der Truck mit den verladenen Pferden und die Leute verschwunden und in der Ecke stehen drei Gäule: Führer Kens Pferd „Thunder“, Bertholds „Joshua“ und mein gestriger Klepper „Light“. March sieht wohl mein verdutztes Gesicht und meint, „Light“ hält drei bis vier Stunden mit mir gut aus. Die Viecher sind komplett ausreitfertig, nur die Steigbügel müssen noch ein wenig verlängert werden, die von „Light“ meine ich. Als alles erledigt ist, bittet mich Ken zum Aufsitzen. Dafür führt er „Light“ in eine kleine Erdsenke und meint „Hurry up!“. Ich fühle mich gar nicht angesprochen, bin aber eindeutig gemeint. Also halte ich mich wie ich es gestern bei Berthold gesehen habe mit der linken Hand an der Mähne fest, bringe meinen linken Fuß im Steigbügel (irgendwie) unter, packe mit der rechten Hand den hinteren Teil des Sattels an, schwinge mich auf den von Ken festgehaltenen „Light“ und fliege fast auf der anderen Seite wieder herunter. Meine Güte, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Kaum sitze ich einigermaßen im Sattel, soll ich schon wieder absteigen. Man müsse beides können, so Ken, und ich gehorche (entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, aber mit Schlitzaugen) widerspruchslos. Dann wird Berthold auf „Joshua“ gehoben und ich soll mit „Light“ an der Leine auf dem Hof herumspazieren, damit er sich an mich gewöhnen kann. Wie soll das bloß enden? Schließlich bin ich wieder dran, steige auf wie beim ersten Mal, nur ohne das „Gleich-wieder-runterflieg-Gefühl“. Kaum habe ich mich einigermaßen eingerichtet, geht es auch schon los. Vorneweg Ken, dann Berthold und hinten „Light“ mit mir. Es funktioniert, allerdings muss ich auch gar nichts machen. „Light“ läuft grundsätzlich hinter Berthold „Joshua“ her, ob ich nun an den Zügel zuppele oder nicht. Ich könnte genauso gut ohne Zügel losziehen. Aber mir ist es zunächst ganz recht. Mit beiden Händen am Sattelknauf und irgendwie schief sitzenden ziehen wir dahin. Mit der Zeit stabilisiert sich die ganze Sache und ich reite freihändig. Die Rechte schwingt frei an meiner Seite und in der Linken halte ich lässig die Zügel. Ein gewisses Pferdegleichgewicht stellt sich ebenfalls erstaunlich schnell ein und es geht locker dahin. Die Pferde werden im Westernstil geritten. Das Pferd reagiert tatsächlich durch Schenkeldruck und durch berühren der Zügel am rechten oder linken Hals. Meine Zuppelei an den Zügeln hat den guten „Light“ nur verwirrt, er konnte damit nur wenig anfangen. Jetzt, wo ich wie John Wayne reite, gelingt mir auch der eine oder andere leichte Spurwechsel. Es wird immer besser. Die Landschaft, die wir passieren wird genießbar. Es ist wirklich phantastisch. Wir sehen herumziehende Antilopen, passieren mehrere ausgetrocknete Flussbetten, traben einen leichten Berghang hinauf um dann auf der anderen Seite einen steileren mit Steinen übersäten Abhang hinunter zu reiten. Ken meint, wir sollten nicht eingreifen und die Pferde ihren Weg alleine suchen lassen. Diese Anweisung kommt mir sehr zu passe. Ich wüsste auch gar nicht, welchen Weg mein Pferd von mir gesteuert einschlagen sollte, weil ich gar keinen Weg ausmachen kann. Aber „Light“ macht das schon. Langsam fangen verschiedene Körperteile um die Hüfte herum an, komische Signale zu senden. Ken scheint das zu merken und ordnet eine Pause an. Dankbar nehmen Berthold und ich und wahrscheinlich auch unsere Pferde den Pausenvorschlag an. Wir trinken etwas, bekommen gezeigt, wie Indianer sich in der Wildnis mit Nadel und Faden versorgt haben und die Pferde knabbern an irgendwelchem Grünzeug am Boden.

Das mit der Nadel und dem Faden geht übrigens so: man suche sich eine Agavepflanze, schneide die Spitze, die ja wie ein Dorn aussieht und auch ein solcher ist, mit einem scharfen Messer rund herum an und ziehe dann eine lange mit dem Dorn fest verbundene wie ein Faden biegsame Faser heraus. Die Indianer wussten sich gut zu helfen, ganz offensichtlich.

Nach dieser wunderbaren Pause geht es weiter. Nach etwa 2 Stunden Ritt spüren wir nichts mehr. Die Nerven in den kritischen Bereichen unserer Körper scheinen sich verabschiedet zu haben. Das merken wir, als plötzlich wieder eine Pause angesagt wird, mit Absteigen und anschließendem Fußmarsch. Wir kommen kaum aus dem Sattel und können auch kaum richtig laufen. Aber die Pferde scheinen es zu genießen. Sie machen jedenfalls komisch, als wir wieder aufsteigen wollen. „Light“ dreht sich ständig weg von mir, so dass Ken schließlich ein Machtwort spricht. Er brüllt den Guten an und der steht stocksteif neben mir. Ich sitze auf und bin sehr froh, als ich wieder oben bin. Das Reiten ist wesentlich bequemer als das selber laufen. So ziehen wir noch etwa 1,5 Stunden dahin, bis wir die Farm wieder erreichen. Die Pferde, jedenfalls mein Light“ und Bertholds „Joshua“, sind wesentlich ruhiger geworden. Berthold und ich haben sie mit unseren Reitkünsten „gezähmt“, und zwar schlicht mit dem Einsatz unserer Körpermasse. Jedenfalls hatten die beiden Gäule am Ende nur noch wenig entgegenzusetzen.

Es hat sehr viel Spaß gemacht. Wir sind durch eine Landschaft geritten, die jedem Western zur Ehre gereicht. Tatsächlich sind sehr viele alte Western mit John Wayne und anderen Wildwestgrößen nicht nur im Monument Valley in Utah, sondern auch hier in der Gegend gedreht worden. Bestens gelaunt verabschieden wir uns von unserem Führer Ken und fahren zum Lunch in das nahe Sonoita. Wir verspeisen einen „shreddered Hamburger“, was wir aber bei der Bestellung nicht gewusst haben (das mit dem geschreddert), weil wir ihn sonst nicht bestellt hätten. Aber er schmeckt ganz gut, vielleicht liegt es auch nur am Ketchup, den wir flaschenweise drauf tun. Dann tanken wir die Mopeds auf, kaufen ein Sandwich für heute Abend und ein 12-Pack Budweiser, auch für heute Abend.

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